15.9.2010

Testamentsvollstrecker muss sogleich entlassen werden

Verfahren über die Entlassung des Testamentsvollstreckers kann vom Gericht nicht ausgesetzt werden

Das nachlassgerichtliche Verfahren über den Antrag zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers kann nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Zivilprozesses wegen fehlerhafter Tätigkeit des Testamentsvollstreckers ausgesetzt werden.


Das hat das OLG Schleswig nun entschieden.

Der Fall:

Nach Amtsannahme wurde ein Testamentsvollstreckerzeugnis beantragt. Das Nachlassgericht setzte die Entscheidung über dessen Erteilung aus, weil gegen die Testamentsvollstreckerin vor dem LG parallel eine Auskunftsklage auf Vorlage eines ordnungsgemäßen Nach-lassverzeichnisses erhoben war. Eine (doppelte) Beweiserhebung vor beiden Gerichten würde keine Verfah-rensbeschleunigung bewirken.

Die Entscheidung:

Auf die sofortige Beschwerde der Testamentsvollstreckerin hebt das OLG den Aussetzungsbeschluss auf. Nach § 21 I FamFG kann die Aussetzung aus wichtigem Grund erfolgen, insbesondere wenn die Entscheidung ganz oder teilweise vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Verfahrens bildet. Der Senat verneint eine solche "Vorgreiflichkeit".
Die Aussetzung des Verfahrens über die Entpflichtung der Testamentsvollstreckerin wird auf die Entlassungsmöglichkeit nach § 2227 BGB gestützt, da die Testamentsvollstreckerin das Nachlassverzeichnis angeblich zu spät, auf den falschen Zeitpunkt bezogen, sowie falsch und unvollstän-dig erteilt habe. Vor dem LG ist sie hingegen auf Aus-kunft und Vorlage eines ordnungsgemäßen Nachlassverzeichnisses verklagt. Auch wenn dort streitig ist, ob das Nachlassverzeichnis vollständig ist, liegt eine präjudizielle Wirkung gem. § 21 I FamFG für die Frage der Entlassung der Testamentsvollstreckerin nach § 2227 BGB durch den Zivilprozess nicht vor. Die Ausset-zungsentscheidung muss außerdem ermessensgerecht getroffen sein.

Vorliegend ist das Ermessen des Nachlassgerichts auf Null reduziert. Dafür sprechen der Cha-rakter der beiden Verfahrensarten und die Berücksichti-gung der Interessen der Beteiligten. Da die Annahme des Testamentsvollstreckeramtes erfolgte, ist ein Zeug-nis zur Legitimation im Rechtsverkehr nötig. Diese Entscheidung kann, da die Testamentsvollstreckerin zunächst handeln darf, nicht zurückgestellt bzw. ausgesetzt werden, bis über den Entpflichtungsantrag entschieden ist. Bis dahin könnte der Nachlass geschädigt werden, wobei auch die ggf. jahrelange Verfahrensdauer des Zi-vilprozesses zu berücksichtigen ist.

Stellt man eine jahrelange Verfahrensdauer des Zivil-prozesses der Handlungsfähigkeit der Testamentsvollstreckerin und eine mögliche Schädigung des Nachlasses auf Grund der Verfahrensaussetzung durch das Nachlassgericht gegenüber, ist das Ermessen des Nach-lassgerichts an der Aussetzung des Verfahrens auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses und der Entlassung der Testamentsvollstreckerin auf Null reduziert.


Praxistipp:

Häufig setzen Nachlassgerichte erbrechtliche Verfahren (z.B. Erteilung eines Erbscheins, Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, usw.), für die sie zuständig sind, mit der Begründung aus, dass parallel ein Zivilprozess über „den selben Sachverhalt“ geführt wird. Gegen diese Praxis spricht bereits die Selbständigkeit und grundsätzliche Unabhängigkeit beider Verfahren (BGH ZEV 2010, 468).

Wer mit einer solchen Absicht des Nachlassgerichts konfrontiert wird, muss dem offensiv entgegentreten.

OLG Schleswig, Beschluss vom 2.8.2010 – 3 Wx 56/10

 

Erstellt von FAErbR Wolfgang Roth, Obrigheim

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Erstellt von: Stephan Konrad - Fachanwalt für Erbrecht, Bielefeld

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