01.12.2016
Testamentsvollstreckung Entlassungsantrag

Entlassung des Testamentsvollstreckers auf Antrag eines Pflichtteilsberechtigten

Ein Testamentsvollstrecker kann gem. § 2227 BGB auf Antrag eines Nachlassbeteiligten vom Nachlassgericht entlassen werden, wenn ein wichtiger Grund hierzu vorliegt.

Voraussetzungen des Entlassungsverfahrens gem. § 2227 BGB

Das Gesetz nennt hier zwei Beispielsfälle:

  • die grobe Pflichtverletzung
  • und die Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung.

Antragsberechtigung

Im Rahmen des Entlassungsverfahrens ist Antragsberechtigter Erbe, jeder Miterbe und ein Vermächtnisnehmer.

Das OLG Bremen musste in seinem Beschluss vom 01.02.2016 (5 W 38/15 = BeckRS 2016, 05593) die Frage klären, ob auch ein Pflichtteilsberechtigter „Beteiligter“ i.S.d. § 2227 BGB und damit antragsberechtigt im Verfahren auf Entlassung des Testamentsvollstreckers ist:

  • Die herrschende Meinung (Fundstellen bei Palandt/Weidlich, 76. Aufl. 2017, § 2227 BGB, Rn. 7) geht von einem Antragsrecht des Pflichtteilsberechtigten aus. 
  • In der Literatur (z.B. Muscheler, ZErb 2009, 54) wird diese Auffassung kritisiert. Litzenburger (FD-ErbR 2016, 377547) weist darauf hin, dass es gute Gründe gäbe, nicht der herrschenden Meinung zu folgen, da in dieser Streitfrage eine höchst richterliche Entscheidung noch ausstehe.

Pflichtteilsberechtigter kann Entlassungsantrag stellen

Das OLG Bremen hat sich in seinem Beschluss der herrschenden Meinung angeschlossen und ein Antragsrecht des Pflichtteilsberechtigten bejaht. Obwohl das Pflichtteilsrecht nur einen Geldanspruch gegen den Erben begründe und dem Pflichtteilsberechtigten weder ein Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruch gem. § 2218 BGB, noch ein Haftungsanspruch aus § 2219 BGB unmittelbar gegen den Testamentsvollstrecker verschaffe, rechtfertige es die besondere Rechtstellung und Interessenlage, den Pflichtteilsberechtigten im Rahmen des § 2227 BGB ein solches Antragsrecht einzuräumen. 

Begründetheit eines Entlassungsantrags

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht und testierter Testamentsvollstrecker in München erläutert, in welchen Konstellationen ein „wichtiger Grund“ i.S.d. § 2227 BGB für die Entlassung eines Testamentsvollstreckers vorliegt:

Die Rechtsprechung hat eine grobe Pflichtverletzung in folgenden Fällen bejaht:

  • Missachtung der letztwilligen Verwaltungsordnungen des Erblassers.
  • Der Testamentsvollstrecker schlägt den Erben die Auseinandersetzung des Nachlasses vor, obwohl dies der Erblasser ausgeschlossen hat.
  • Ermessensüberschreitung bei der Nachlassverwaltung.
  • Völlige Untätigkeit.
  • Bevorzugung einzelner Miterben.
  • Eigennützige Geschäfte in größerem Umfang.
  • Unzulässige Übertragung der Amtsführung auf eine ungeeignete Person.
  • Schwerwiegender Verstoß gegen Anhörungspflichten (§ 2204 Abs. 2 BGB).
  • Erstellen eines mangelhaften Nachlassverzeichnisses, das den Anforderungen des § 2215 BGB nicht genügt.
  • Verweigerung des Testamentsvollstreckers den Erben ein Nachlassverzeichnis mitzuteilen.
  • Hartnäckige Verweigerung von Auskünften über den Stand der Sache.
  • Hartnäckige Verweigerung der Rechnungslegung.
  • Entnahme einer absolut unangemessen hohen Vergütung aus dem Nachlass.
  • Auszahlung hoher Beträge auf streitige Forderungen.
  • Leichtfertiges Führen von Prozessen, die verlorengehen und den Nachlass zumindest kostenmäßig erheblich schädigen.
  • Beauftragung eines Anwalts mit teuren und unsinnigen Einsprüchen gegen Erbschaftssteuerbescheide.
  • Unzulässiges Insichgeschäft, weil sich der Testamentsvollstrecker selbst aus dem Nachlass ein Darlehen gibt.
  • Weigerung des Testamentsvollstreckers, ein Vermächtnis zu erfüllen.
  • Verstoß gegen eine Verwaltungsanordnung des Erblassers.

Die Rechtsprechung hat eine Entlassung wegen Unfähigkeit bejaht bei:

  • längerer Abwesenheit oder Krankheit.
  • Verhaftung, Insolvenz oder Bestrafung des Testamentsvollstreckers.
  • wenn dem Testamentsvollstrecker aus psychischen Gründen die Fähigkeit fehlt, den Nachlass sachlich abzuwickeln.
  • verhaltensbedingter Verzögerung der Auseinandersetzung eines einfachen Nachlasses um mehr als zehn Jahre.


Erstellt von: Bernhard F. Klinger (verstorben am 13. September 2021) - Fachanwalt für Erbrecht, München

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