Testamentsvollstreckung im Handels- und Gesellschaftsrecht

Wann sollte bei einem Handelsunternehmen Testamentsvollstreckung angeordnet werden?

Betreibt der Erblasser ein Handelsgeschäft oder ist er an einer solchen Gesellschaft beteiligt, macht es in der Praxis häufig Sinn, bei folgenden Fallkonstellationen eine Testamentsvollstreckung anzuordnen:

  • Der Erbe, der zum Zeitpunkt des Erbfalls noch minderjährig oder geschäftlich unerfahren ist, soll Unternehmensnachfolger werden

  • Der Erbe ist für die Führung des Unternehmens ungeeignet

  • Das Unternehmen soll nach dem Tod des Unternehmers vor der (möglicherweise schädlichen) Einflussnahme der Erben geschützt werden

  • Der Nachlass soll gemäß § 2214 BGB vor dem Zugriff der Eigengläubiger des Erben geschützt werden

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Diese Vorstellungen des Unternehmers können durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung umgesetzt werden, weil der qualifizierte Testamentsvollstrecker das Unternehmen für eine gewisse Dauer oder dauerhaft führen kann. 

Was darf der Testamentsvollstrecker in gesellschaftsrechtlichen Belangen nicht tun?

Sowohl das Gesellschafts- als auch das Handelsrecht setzen dem Testamentsvollstrecker bei seiner Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich Grenzen. Diese sind in der Literatur und auch in der Rechtsprechung noch teilweise ungeklärt.

Das Handelsrecht und das Erbrecht haben unterschiedliche Haftungsgrundsätze, die teilweise unvereinbar sind: Ein persönlich haftender Gesellschafter bzw. ein Einzelkaufmann haftet grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar mit seinem Privatvermögen gemäß §§ 22, 25, 27, 128, 130 HGB.

Nach den Vorgaben des Erbrechts (§ 2206 BGB) darf der Testamentsvollstrecker hingegen Verbindlichkeiten ausschließlich für den Nachlass eingehen. Er kann nicht verhindern, dass ein Erbe die Haftungsbeschränkung auf die Nachlassverbindlichkeiten herbeiführt (§§ 1967, 1973 ff., 1980, 1990, 2206 II BGB). Außerdem haftet der Testamentsvollstrecker mit seinem Privatvermögen nicht persönlich für diejenigen Verbindlichkeiten, die aus seiner Amtstätigkeit resultieren.

Wenn der Testamentsvollstrecker das Unternehmen für die Erben fortführen könnte, würde also ein Unternehmen mit beschränkter Haftung entstehen, weil die Verbindlichkeiten nur den Nachlass beträfen, in welchem sich das Unternehmen befindet. Diese besondere Haftungsbeschränkung steht außerhalb der von Gesetzes wegen vorgesehenen Möglichkeiten (GmbH, AG). Laut Art. 2 EGHGB hat das Handelsrecht Vorrang vor dem Erbrecht. Der Testamentsvollstrecker darf somit kraft Amtes kein Handelsgeschäft führen. 

Welche Rechte darf der Testamentsvollstrecker im Gesellschaftsrecht nicht ausüben?

Es gibt gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte, welche durch eine Testamentsvollstreckung vom Erblasser nicht eingeschränkt werden können:

  • Gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte müssen den Erben zumindest teilweise verbleiben und können nicht durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ausschließlich dem Testamentsvollstrecker übertragen werden (z.B. Stimmrechte, Informations- und Kontrollrechte, Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und Beschlussfassungen).

  • Die sog. personenrechtliche Seite der Gesellschafterstellung kann bei Personengesellschaften (OHG, BGB-Gesellschaft) nicht einem Testamentsvollstrecker übertragen werden. Auf diesen können nur die vermögensrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen Aspekte übertragen werden, beispielsweise Verwaltung und Fälligkeit der Gewinnansprüche nach dem Todesfall oder die Ansprüche auf ein Auseinandersetzungs- oder Abfindungsguthaben können dem Testamentsvollstrecker unterworfen werden.

Wie löst die Praxis das Spannungsverhältnis zwischen Handelsrecht, Gesellschaftsrecht und Testamentsvollstreckung?

Teilweise wird die „Vollmachtslösung“ vertreten und in der Praxis durchgeführt. In diesen Fällen führt der Testamentsvollstrecker das Handelsgeschäft nicht als Testamentsvollstrecker, sondern als Bevollmächtigter der Erben. Die Erben bleiben Inhaber des Handelsgeschäfts und sind im Handelsregister eingetragen. Geht der Bevollmächtigte bei der Geschäftsführung Geschäftsverbindlichkeiten ein, haften die Erben persönlich und unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen. Haben alle Erben den Testamentsvollstrecker eine entsprechende Vollmacht, z.B. ein Prokura oder Handlungsvollmacht erteilt, trifft den Testamentsvollstrecker bei seiner Tätigkeit keine persönliche Haftung für die Geschäftsschulden. Derjenige, der die Vollmacht erteilt (die Erben), hat selbstverständlich auch das Recht, die Vollmacht wieder zu widerrufen. Hierin liegt eine praktische Schwierigkeit für den reibungslosen Ablauf der Geschäftstätigkeit, da die Erben jederzeit durch einen Vollmachtswiderruf selbst alle Tätigkeiten an sich ziehen können.

In der Praxis selten wird die sog. Treuhandlösung gewählt, wonach der Testamentsvollstrecker das Unternehmen als Treuhänder im eigenen Namen, aber für Rechnung der Erben führt. Dritten gegenüber haftet der Testamentsvollstrecker dann allerdings persönlich und unbeschränkt mit seinem Privatvermögen. Wegen der dadurch entstehenden hohen Haftungsrisiken ist der Testamentsvollstrecker daher in der Regel nicht bereit, diese Treuhandlösung durchzuführen. Sie spielt in der Praxis daher nur eine untergeordnete Rolle.

Nach der Umwandlungslösung ist es unbedenklich, wenn eine Testamentsvollstreckung an einer Kapitalgesellschaft (GmbH oder Aktiengesellschaft) angeordnet wird. Der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters ist vererblich und Teil des Nachlasses.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Damit der Geschäftsanteil tatsächlich dem bedachten Erben zufließen kann, muss der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Nachfolgeklausel beinhalten; notfalls ist der Gesellschaftsvertrag anzupassen.

Wie verhalten sich Gesellschaftsanteile einer GmbH zur Testamentsvollstreckung?

Weil der Gesellschaftsanteil Teil des Nachlasses ist, erstreckt sich eine allgemein angeordnete Testamentsvollstreckung somit auch auf diesen Anteil. Nach der Kernbereichslehre sind allerdings gewisse Eingriffe in den Kernbereich der Mitgliedschaft durch den Testamentsvollstrecker nicht möglich. Diese zum Kernbereich der Erben zählenden Aspekte umfassen

  • gesellschaftsvertragliche Regelungen zur Beendigung der Beteiligung, die Verringerung des Kapitalanteils, der Gewinnbeteiligung des Auseinandersetzungsguthabens, die Erhöhung der handelsrechtlichen Haftung oder der Leistungspflichten,

  • die Kündigung, eine Aufhebungs- oder Ausschließungsklage,

  • das außerordentliche Kontrollrecht gemäß § 18 II HGB,

  • das Wohlrecht nach § 139 HGB.

Für diese Bereiche sind sowohl der Testamentsvollstrecker als auch der Erbe zuständig, da der Erbe von diesen Kernbereichen des Gesellschaftsrechts nicht durch eine angeordnete Testamentsvollstreckung vollständig ausgeschlossen werden kann.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Weil eine Testamentsvollstreckung bei Kapitalgesellschaften unproblematisch ist, bietet es sich an, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten ein Handelsgeschäft in eine Kapitalgesellschaft umwandelt, sofern er gedenkt, nach seinem Tode am Unternehmen eine Testamentsvollstreckung anzuordnen. Möchte er dies nicht tun, kann er im Wege einer Auflage in seiner letztwilligen Verfügung die Erben verpflichten, das Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln. 

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