25.1.2009

Auch bei reiner Erbteilsvollstreckung ist ein Nachlassverzeichnis zu erstellen

Ist die Testamentsvollstreckung über den Erbteil eines Miterben angeordnet, ist der Testamentsvollstrecker schon vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verpflichtet, diesem Miterben ein Nachlassver-zeichnis gem. § 2215 I BGB mitzuteilen.

Die Erblasserin setzte ihre drei Söhne und die Kinder ihrer bereits vorverstorbenen Tochter zu Miterben ein. Bzgl. des Erbteils eines Enkelkindes ordnete sie Nacherbfolge an und bestimmte einen ihrer Söhne zum Testamentsvollstrecker über diesen Erbteil. Der Testamentsvollstrecker hatte unter anderem die Aufgabe, den der Vor- und Nacherbfolge unterliegenden Nachlass auf die Dauer der Vorerbschaft zu verwalten, die Rechte der Nacherben wahrzunehmen und den Nachlass zur angemessenen Lebensgestaltung und Lebensführung des Vorerben zu verwenden. Die Nacherben waren testamentarisch auf dasjenige eingesetzt, was vom Nachlass nach dessen bestimmungsgemäßer Ver-wendung übrig blieb.

Die Erbschaft bestand aus Wertpapieren, Forderungen, Wertgegenständen und Eigentumswohnungen. Die Erbengemeinschaft wurde zunächst nicht auseinandergesetzt.

Der Vorerbe beantragte die Entlassung des Testamentsvollstreckers unter anderem mit der Begründung, dass dieser ihm kein Nachlassverzeichnis gem. § 2215 I BGB vorgelegt habe. Das OLG München sah darin zwar einen Verstoß gegen die Pflichten als Testamentsvollstrecker , entließ ihn gem. § 2227 I BGB jedoch deshalb nicht, weil dadurch keine Gefährdung der Interessen des Vorerben verursacht war.

Das OLG klärt mit der Entscheidung die bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung offene Frage, nämlich ob auch der nur für den Erbteil eines Miterben berufene Testamentsvollstrecker bereits vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses gem. § 2215 I BGB verpflichtet ist

Die Erstellung des Nachlassverzeichnisses setzt voraus, dass der Testamentsvollstrecker zur Verwaltung über die Nachlassgegenstände befugt ist. Bei Testamentsvollstreckung nur über einen Erbteil eines Miterben sind bis zur Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft keine Nachlassgegenstände vorhanden, die der alleinigen Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen; vielmehr obliegt die Verwaltungsbefugnis der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand. Aus Sinn und Zweck des § 2215 I BGB leitet das OLG ab, dass ein Verzeichnis auch über diejenigen Nachlassgegenstände zu fertigen ist, die nur der Mitverwaltung des Testamentsvollstreckers unterstehen.

Ein vollständiges Nachlassverzeichnis ist unverzichtbare Grundlage für die ordnungsgemäße Amtsführung, späte-re Rechenschaftslegung, Kontrolle des Verwaltungshandelns insgesamt und für die kontrollierbare Herausgabe des Nachlasses nach Amtsbeendigung für den (Mit-) Erben (OLG Schleswig, BeckRS 2008, 25348, besp. in NJW Spezial 2009, 40). Insbesondere wegen der Kontrollmöglichkeit durch den Miterben sieht das OLG München die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur Verzeichniserstellung bereits vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, auch wenn die Vollstreckung nur über den Erbteil selbst angeordnet ist.

Dass Verwaltungsmaßnahmen und Verfügungen über Nachlassgegenstände nur im Zusammenwirken mit den anderen Miterben durch den Testamentsvollstrecker möglich sind, ist unerheblich. Da sich die Mitwirkungsbefugnis auf den gesamten Nachlass bezieht, hat des Nachlassverzeichnis eben den gesamten Nachlass zu dokumentieren, auch solange die Auseinandersetzung noch nicht erfolgt ist.

Praxistipp: Die Entscheidung schafft nun Klarheit über eine der „Hauptpflichten“ des Testamentsvollstreckers in diesem gesetzlich ungeregelten Fall. Schon aus Haftungsgründen ist ohnehin jedem Testamentsvollstrecker anzuraten, ein vollständiges Verzeichnis anzulegen. Dieses ist, was häufig verkannt wird, auch ohne (!) ausdrückliche Aufforderung dem (Mit-) Erben vorzulegen.

OLG München, Beschl. vom 30.12.2008 – 31 Wx 99/08 , NJW Spezial 2009, Heft 4

Erstellt von Wolfgang Roth, FAErbR, Obrigheim



Erstellt von: Stephan Konrad - Fachanwalt für Erbrecht, Bielefeld

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