08.09.2022
Der Testamentsvollstrecker im Gerichtsprozess

Als Testamentsvollstrecker richtig prozessieren

Manchmal muss ein Testamentsvollstrecker für den Nachlass auch Gerichtsverfahren führen, um seine Aufgaben zu erledigen. Die dazu notwendige Prozessführungsbefugnis steht in der Regel alleine ihm zu; deshalb dürfen zum Beispiel die Erben selbst nicht vor Gericht als Kläger oder Beklagte eines Erbrechtsprozesses auftreten. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen und trotz der eindeutigen gesetzlichen Regelung bestehen manche Unklarheiten. Nachstehend finden Sie eine Übersicht über die in der Praxis wichtigsten Fragen zu diesem Themenkomplex.

Die allgemeine Prozessführungsbefugnis

Das Prozessführungsrecht für Gerichtsverfahren, in denen ein Anspruch für den Nachlass eingeklagt wird (sogenannter Aktivprozess), hat allein der Testamentsvollstrecker. Nur er ist befugt, Prozesse vor Gericht zu führen, bei denen ein zum Nachlass gehörendes Recht geltend gemacht wird. Dies gilt bei der allgemeinen Testamentsvollstreckung zur Abwicklung einer Erbschaft. Würde ein Erbe eine solche Klage führen, fehlte ihm die Prozessführungsmacht und die Klage wäre unzulässig.

In Ausnahmefällen steht die Verfügungsbefugnis über einen Nachlassgegenstand sowohl dem Testamentsvollstrecker als auch dem Erben zu. In diesen Situationen können beide zusammen als sogenannte notwendige Streitgenossen klagen, beispielsweise, wenn die Testamentsvollstreckung über den gesamten Erbteil eines Miterben angeordnet ist.

Die Delegierung des Prozessführungsrechts

Steht dem Testamentsvollstrecker das Prozessführungsrecht zu, kann er es einem Erben übertragen, damit der Erbe für ihn den Prozess führt. Für den auf diese Weise klagenden Erben hat sein Auftreten vor Gericht jedoch kostenrechtliche Nachteile: Der klagende Erbe trägt alleine das volle Kostenrisiko. Verliert der Erbe das Gerichtsverfahren, zahlt er also alle angefallenen Kosten des Prozesses aus eigener Tasche!

Testament und Prozessführungsrecht

§ 2212 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gibt vor, dass das Prozessführungsrecht dem Testamentsvollstrecker alleine zusteht. Das kann derjenige, der sein Testament errichtet, allerdings abweichend bestimmen: Laut Bundesgerichtshof ist diese Norm abänderbar. Das bedeutet, dass es dem Erblasser freisteht, in seinem Testament zu verfügen, dass er das Prozessführungsrecht dem Testamentsvollstrecker entzieht und einem Dritten, z.B. einem Erben, überträgt. Daran ist der Testamentsvollstrecker gebunden.

Was umfasst das Prozessführungsrecht?

Neben den „regulären“ Klagen auf Leistung (zum Beispiel auf Zahlung an die Erbmasse gegen einen Schuldner des Verstorbenen) kann der Testamentsvollstrecker auch Widerklagen erheben, Aufrechnungserklärungen abgeben, Mahnverfahren durchführen, vorläufigen Rechtsschutz (zum Beispiel einstweilige Verfügungen bei Eilbedürftigkeit) beantragen oder auch die Zwangsvollstreckung durchführen, um ein Urteil umzusetzen.

Als Aktivprozess gilt auch, wenn jemand gegen den Testamentsvollstrecker eine Klage erhebt, in der geltend gemacht wird, dass ein Nachlassgegenstand nicht zur Erbschaft gehört (sogenannte negative Feststellungsklage).

Prozessführung über die Erbenstellung

Dem Testamentsvollstrecker ist hingegen untersagt, einen Gerichtsprozess darüber zu führen, wer überhaupt Erbe geworden ist, sofern das streitig sein sollte. Das kann der Fall sein, wenn zum Beispiel behauptet wird, der Verstorbene sei testierunfähig gewesen oder sein Testament sei gefälscht.

Bereits das Reichsgericht als auch später der Bundesgerichtshof haben ausgeurteilt, dass das Erbrecht als solches nicht der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegt, weil er nur den Nachlass für den bzw. die Erben verwaltet.

Anders liegt der Fall, wenn der Testamentsvollstrecker für die später von ihm vorzunehmende Erbteilung Klarheit darüber gewinnen muss, wer von mehreren Bedachten Erbe ist: damit er die Erbschaft unter den „richtigen“ Bedachten verteilt, besteht für ihn ein prozessuales Feststellungsinteresse, denn er kann durch einen solchen Prozess seine Haftung vermeiden, um nicht unter den „falschen“ Bedachten zu verteilen. Insbesondere in „Verteilungstestamenten“, bei denen mehreren Personen einzelne Nachlassgegenstände zugeschrieben werden, ist der Testamentsvollstrecker befugt, sich im Klageweg Klarheit über die Zuteilung unter den Bedachten durch ein Gerichtsurteil zu verschaffen.

Wer zahlt die Prozesskosten?

Kann der Testamentsvollstrecker, der einen Gerichtsprozess geführt hat, die Verfahrenskosten für Anwälte, Gutachter, Gericht usw. aus dem Nachlass entnehmen oder zahlt er alles aus eigener Tasche? Das ist eine Frage der Erstattungsfähigkeit der Prozesskosten, die nicht unterschätzt werden darf!

Gewinnt der Testamentsvollstrecker den Prozess, zahlt alle Kosten der Unterlegene nach dem Grundsatz „wer verliert, bezahlt“.

Verliert der Testamentsvollstrecker einen von ihm geführten Aktivprozess, trägt die Kosten hierfür der Nachlass, letztendlich also die Erben; verliert er einen Prozess über eine Nachlassforderung gegenüber einem Miterben, steht ihm trotzdem ein Erstattungsanspruch der Prozesskosten gegen den obsiegenden Miterben zu, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat.

Ein kostenrechtlicher Erstattungsanspruch scheidet allerdings aus, wenn der Testamentsvollstrecker erfolglos einen „persönlichen Prozess“ führte. Dabei handelt es sich vor allem um Verfahren, bei denen die Frage einer schuldhaften Verletzung seiner Verwaltungstätigkeit zu klären sind oder um Klagen gegen die Erben auf Erstattung der Testamentsvollstreckervergütung. Diese Gerichtsprozesse führt der Testamentsvollstrecker immer im eigenen Interesse und somit auf eigene Kosten.

Praxishinweise für Sie

Klagen vor Gerichten zu führen gehört zur Kernaufgabe eines Testamentsvollstreckers, denn nicht selten muss er seine Tätigkeiten gegen Außenstehende oder die Erben auf diese Weise durchsetzen, um dem Willen des Verstorbenen genüge zu tun.

Dabei gilt es, diverse prozessuale Fallstricke zu vermeiden. Das Netzwerk Deutscher Testamentsvollstrecker hilft Ihnen, sich in dieser schwierigen Materie zurechtzufinden, zumal alle Mitglieder langjährig erfahrene Praktiker sind.

Weiterführende und vertiefte Hinweise finden Sie im Beck-Ratgeber „Testamentsvollstreckung“, erschienen im Verlag C. H. Beck, München.

 

Wolfgang Roth, Fachanwalt für Erbrecht in Obrigheim

www.erbrechtsexperte.de



Erstellt von: Wolfgang Roth - Fachanwalt für Erbrecht, Obrigheim

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