15.08.2023
Verwaltungsvollstreckung - Eingehung von Verbindlichkeiten

Ãœberschreitung der Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers

Zu der Frage, ob ein Testamentsvollstrecker seine Befugnis überschreitet in dem er sich bzw. seinen Kindern den Erwerb eines Nachlassgegenstandes zu 80 % des Verkehrswertes ermöglicht, hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf (9 U 149/19) am 06.03.2023 zu entscheiden. Birgit Funke, Fachanwältin für Erbrecht in Aachen erklärt die Hintergründe.

Folgender Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde:

Die Beteiligten des Verfahrens sind die Mitglieder einer Erbengemeinschaft als Kläger und die Söhne eines Testamentsvollstreckers als Beklagte. Im Rahmen seines Amtes hatte dieser Testamentsvollstrecker den Kauf eines Grundstücks, dessen Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus sowie den Erwerb einer Garage in einem gesonderten Objekt durch den Nachlass veranlasst. Dabei hatte er seinen Söhnen ein Ankaufsrecht gesichert. Diese hatten ihr Ankaufsrecht schließlich ausgeübt und schlossen ohne persönliche Beteiligung der Kläger mit der Erbengemeinschaft, die durch den Vater und einen weiteren Testamentsvollstrecker vertreten wurde, einen Kaufvertrag über Grundstück und Garage. Dabei wurde ein Kaufpreis von 85 % des von einem Sachverständigen ermittelten Verkehrswertes vereinbart und gezahlt. Allerdings erfolgte diese Zahlung nicht sofort, sondern der Kaufpreis wurde für zwei Jahre gestundet. Die Beklagten wurden als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.  Sie bewirtschafteten das Grundstück viele Jahre, erzielten Mieteinnahmen. Das vorliegende Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf befasst sich nun mit einem Teilbereich einer sehr komplexen Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten.

Die Kläger begehren mit ihrer Klage unter anderem, selbst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen zu werden, den Besitz von den Beklagten eingeräumt zu erhalten sowie diverse Auskünfte und Rechenschaft, Herausgabe der Nutzungen und Schadensersatz. Sie begründen diese Ansprüche damit, dass der seinerzeitige Kaufvertrag unwirksam war. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gibt ihnen Recht.

Hier soll nicht auf alle Aspekte des Verfahrens eingegangen werden. Es wird lediglich der Bereich betrachtet, in dem dem Testamentsvollstrecker ein wesentlicher Fehler unterlaufen ist.

Wie kann ein solches Rechtsgeschäft eines Testamentsvollstreckers unwirksam sein? Der Testamentsvollstrecker muss sich streng an die Vorgaben des Erblassers in der letztwilligen Verfügung halten. Vorliegend gibt es dazu keine Auskünfte,  wie der letzte Wille des Erblassers war. Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Testamentsvollstrecker erlaubt war, aus Nachlassmitteln das Grundstück zu kaufen und zu bebauen.  Die Formvorschriften für das Grundstücksgeschäft an sich hat der Testamentsvollstrecker eingehalten.  Allerdings hatte schon das Landgericht festgestellt, dass bereits die Einräumung eines Ankaufsrechts und die danach folgende Auflassungsvormerkung nicht wirksam waren.  Warum? 

Grundsätzlich ist der Testamentsvollstrecker zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet. Dazu gehört auch das Recht über Nachlassgegenstände verfügen zu dürfen, § 2205 Satz 2 BGB und sich zu einer solchen Verfügung zu verpflichten, § 2206 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Verpflichtungsbefugnis wird durch § 2205 Satz 3 BGB beschränkt. Dort heißt es: „Zu unentgeltlichen Verfügungen ist er nur berechtigt, soweit sie einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen.“ Eine unentgeltliche Verfügung, ein Geschenk, liegt immer dann vor, wenn sich Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig gegenüberstehen. Hier wurde den Beklagten ein Ankaufsrecht für das Grundstück zu einem Kaufpreis, der geringer war als der festgestellte Verkehrswert, eingeräumt. Eine Teilunentgeltlichkeit war damit gegeben. Das Oberlandesgericht hat in seinem Urteil das Landgericht dahin bestätigt, dass keine sittliche Pflicht oder besondere Rücksicht gegeben war, die Ankaufsrechte einzuräumen. Die damit verbundene Verpflichtung ging über die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers, dem es grundsätzlich verboten war, Nachlassgegenstände zu verschenken, hinaus und somit ergab sich die Unwirksamkeit des notariellen Vertrages mit den Beklagten.  

Für die Beklagten hat dieses Urteil weitreichende Folgen: Sie müssen nicht nur die Grundbuchberichtigung dahin bewilligen, dass die Kläger als Erbengemeinschaft als Eigentümer im Grundbuch verzeichnet wird. Sie haben auch alle erhaltenen Mieten herauszugeben, Auskunft zu erteilen und Schadenersatz zu zahlen. Lediglich die Verwendungen, die sie selbst für die Erhaltung der Sache aufgewendet haben, können sie ersetzt verlangen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein Folgeverfahren beim BGH – V ZR 70/23 – ist anhängig.

Birgit Funke, Fachanwältin für Erbrecht in Aachen, empfiehlt:

Eine  zum Testamentsvollstrecker ernannte Person sollte sich schon vor Annahme des Amtes Klarheit über den genauen Aufgaben- und Pflichtenbereich verschaffen. Sie muss sich bewusst sein, dass sie mit der Annahme des Amtes einem nicht geringen Haftungsrisiko unterliegt.  Um Streit zu vermeiden und vor allem auch um sich selbst vor Regress – oder Schadenersatzansprüchen der Erben oder Vertragspartner zu schützen, empfehlen wir schon frühzeitig eine Erstberatung durch eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Erbrecht.

Zudem sollten Testierende eine Testamentsvollstreckung nicht ohne anwaltliche Beratung anordnen. Es sollte im Rahmen der Testamentsgestaltung genau überlegt werden, welche Ziele man mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung erreichen möchte. Hier sind genaue Formulierungen hilfreich, nicht zuletzt um Weiterungen, wie die, die nun das Oberlandesgericht Düsseldorf zu verhandeln hatte, zu vermeiden.

Birgit Funke, Fachanwältin für Erbrecht in Aachen steht Ihnen mit Ihrem Team gerne beratend zur Verfügung.



Erstellt von: Birgit Funke - Fachanwalt für Erbrecht, Aachen

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