04.09.2023
Insichgeschäfte des Testamentsvollstreckers

Befreiung des Testamentsvollstreckers vom Verbot des Selbstkontrahierens

Das Gesetz sieht in § 181 BGB vor, dass man grundsätzlich mit sich selbst keine Geschäfte machen kann.

 

Häufig ist einer der Miterben durch den Erblasser zum Testamentsvollstrecker benannt. Es kann dann nicht selten zu der Situation kommen, dass der Miterbe als Testamentsvollstrecker sich selbst beispielsweise ein Grundstück überträgt. Es handelt sich insoweit um ein sogenanntes Insichgeschäft nach § 181 BGB, das von Gesetzes wegen verboten ist. Allerdings handelt es sich insoweit um dispositives Recht, was bedeutet, dass dies auch geändert werden kann. Der Erblasser kann also im Testament festhalten, dass der Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Gerade in Laientestamenten, also Testamenten, die ohne Zuziehung eines Fachberaters errichtet wurden, fehlt diese Befreiung häufig. Kann der Testamentsvollstrecker dennoch Insichgeschäfte tätigen?

 

Alte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1959

 

Bereits im Jahre 1959, also vor sehr langer Zeit, hat der Bundesgerichtshof festgehalten, dass eine Befreiung des Testamentsvollstreckers vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) nicht ausdrücklich im Testament geregelt werden muss, sondern auch durch konkludentes (schlüssiges) Verhalten angeordnet werden kann. Konkret hat der Bundesgerichtshof folgendes geäußert:

„Wenn ein Miterbe zum Testamentsvollstrecker ohne besondere Beschränkung (§ 2208 BGB) berufen und daher mit der Auseinandersetzung unter den Miterben und mit der Verwaltung des Nachlasses betraut ist (§§ 2203 ff. BGB), besteht zwar idR ein natürlicher Interessenwiderstreit; in der Berufung durch den Erblasser liegt jedoch ein besonderer Vertrauensbeweis, der grds. die Annahme rechtfertigt, der Erblasser habe trotz des bestehenden Interessenwiderstreits dem Berufenen in weitem Umfang auch den Abschluss von Rechtsgeschäften mit sich selbst gestattet. Dass überhaupt irgendein Interessenwiderstreit vorhanden ist, macht also das Selbstkontrahieren des Testamentsvollstrecker-Miterben noch nicht unzulässig. Und zwar kann grds. davon ausgegangen werden, dass der Erblasser dem Miterben durch seine Ernennung zum Testamentsvollstrecker alle diejenigen Rechtsgeschäfte mit sich selbst vorzunehmen gestattet hat, die im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB) liegen, wobei jedoch an die Ordnungsmäßigkeit strenge Anforderungen zu stellen sind. Insofern besteht ein enger inhaltlicher Zusammenhang zwischen § 181 und § 2216 BGB. Andererseits ist ein In-sich-Geschäft des (erbenden oder nichterbenden) Testamentsvollstreckers, das gegen das Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB) verstößt, selbst dann unwirksam, wenn es etwa einmal vom Willen des Erblassers gedeckt sein sollte; so insbesondere ein Eigenerwerb weit unter Wert, falls nicht etwa ein dahingehendes Vorausvermächtnis vorliegt. Denn jenes Gebot der Ordnungsmäßigkeit als solches kann auch der Erblasser nicht außer Kraft setzen (§ 2220 BGB), seine etwaige Gestattung des Selbstkontrahierens wäre daher insoweit unwirksam, und die Regelvorschrift des § 181 BGB käme wieder (analog) zum Zug.“

 

Aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln.

 

Das Oberlandesgericht Köln musste sich in einer Entscheidung aus Oktober 2022 erneut mit dieser Problematik beschäftigen. Das Oberlandesgericht Köln hat sich der alten Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Wesentlichen angeschlossen und folgendes ausgeführt:

„Zwar ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass § 181 BGB grds. – entsprechend – auf den Testamentsvollstrecker Anwendung findet. Indes besteht für den Erblasser die Möglichkeit, den Testamentsvollstrecker vom Verbot des Selbstkontrahierens zu befreien („soweit ihm nicht ein anderes gestattet ist“). Dabei muss die Gestattung nicht ausdrücklich erfolgen; sie kann auch konkludent vorgenommen werden, was der letztwilligen Verfügung im Wege der Auslegung entnommen werden kann, wobei in formeller Hinsicht im Falle eines privatschriftlichen Testaments dessen Vorlage mit Eröffnungsvermerk genügt Im vorliegenden Testament hat der Erblasser zu den Befugnissen des Testamentsvollstreckers keine Ausführungen gemacht. Dennoch ergibt die Auslegung hier eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens aufgrund des Umstands, dass der Erblasser einen Miterben zum Testamentsvollstrecker berufen hat.“

 

Praxistipp:  Bei Errichtung eines Testaments und Benennung eines Testamentsvollstreckers sollte die Frage der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens in jedem Fall bedacht werden und gegebenenfalls ausdrücklich eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB für den Testamentsvollstrecker erteilt werden, um spätere Auslegungsschwierigkeiten insoweit zu vermeiden. Generell sollte bei Errichtung eines Testaments grundsätzlich ein Fachberater zugezogen werden.

 

Florian Enzensberger

Fachanwalt für Erbrecht Weilheim/Garmisch-Partenkirchen/Schongau



Erstellt von: Florian Enzensberger - Fachanwalt für Erbrecht, Weilheim

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