Haftung des Testamentsvollstreckers

Wann besteht ein Schadenersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker?

Gemäß § 2219 BGB ist der Testamentsvollstrecker verpflichtet, Schadenersatz an die Erben – und sofern ein Vermächtnis zu erfüllen ist  auch dem Vermächtnisnehmer gegenüber- zu bezahlen, wenn er schuldhaft seine Pflichten verletzt hat. § 2219 BGB ist eine Haftungsnorm zugunsten der Erben. Laut § 2220 BGB kann der Erblasser den Testamentsvollstrecker von der Schadenersatzpflicht gemäß § 2219 BGB in seinem Testament nicht befreien, auch wenn er dies möchte. Zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis gemäß § 2218 BGB. Demzufolge muss der Testamentsvollstrecker seine ihm obliegenden Verpflichtungen gewissenhaft und sorgfältig ausführen. Verletzt er diese Pflichten, haftet er nach § 2219 BGB auf Schadenersatz.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Die Miterben –und Vermächtnisnehmer- können übereinstimmend auf den Schutz des §§ 2220, 2219 BGB zugunsten des Testamentsvollstreckers verzichten. Das ist ihnen aber nicht anzuraten, andernfalls der Testamentsvollstrecker „freie Hand“ hätte.

Der Testamentsvollstrecker haftet allerdings nicht nur zivilrechtlich den Erben auf Schadenersatz. Ihn trifft auch eine steuerliche Haftung gemäß § 69 AO, wenn er steuerliche Pflichten verletzt. Damit die Miterben den Testamentsvollstrecker gemäß § 2219 BGB auf Schadenersatz in Anspruch nehmen können, muss dieser

  • eine objektive Pflichtverletzung seiner Amtstätigkeit begangen haben,

  • ihm ein Verschulden diesbezüglich vorgeworfen werden können und

  • die Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden kausal (= ursächlich) geworden sein.

Eine „Pflichtverletzung“ kann mannigfaltiger Natur sein. Vorrangig richten sich die Pflichten des Testamentsvollstreckers nach den im Testament ihm übertragenen Aufgaben durch den Erblasser. Ergänzend greift § 2216 Abs. 1 BGB ein, wonach der Testamentsvollstrecker den Nachlass „ordnungsgemäß zu verwalten“ hat. Er muss also gewissenhaft und sorgfältig seine Tätigkeiten ausüben. Diese strengen Vorgaben kollidieren mit dem vom Gesetz bzw. auch dem Erblasser dem Testamentsvollstrecker gegenüber eingeräumten pflichtgemäßen Ermessen über seine Tätigkeiten. In der Regel ist die Rechtsprechung bei der Annahme einer Pflichtverletzung durch Laientestamentsvollstrecker recht zurückhaltend. Nicht jedes Verhalten des Testamentsvollstreckers, das als „Fehler“ angesehen wird ist eine solche Pflichtverletzung, die zur Schadenersatzhaftung führt. Die Rechtsprechung arbeitet bei den Fällen der Pflichtverletzung in der Regel einzelfallbezogen. Vor allem bei schwerwiegenden, den Nachlass (auch nachhaltig) schädigenden Verhaltensweisen wird dem Testamentsvollstrecker eine Pflichtverletzung unterstellt werden können, z.B. bei

  • einer verzögerten Nachlassauseinandersetzung,

  • der Versteigerung eines Erbschaftsgegenstandes, obwohl der Testamentsvollstrecker den Gegenstand hätte freihändig (mit einem besseren Ergebnis) verkaufen können,

  • die Anlage von Geld mit langen Anlagezeiträumen, wenn das im Nachlass befindliche Geld jedoch zur Tilgung von Nachlassschulden gebraucht würde,

  • verspätete oder überhaupt nicht geltend gemachte Nachlassforderungen, z.B. durch Unterlassen von entsprechenden Gerichtsverfahren,

  • erkennbar leichtfertige, überflüssige oder von eigenen persönlichen Interessen geleitete Prozessführungen des Testamentsvollstreckers.

Die Rechtsprechung zu dieser Frage ist sehr umfangreich und oft auf den einzelnen Fall bezogen. Allgemeine Leitlinien lassen sich kaum bilden. Daher ist die Kenntnis der Rechtsprechung in diesem Bereich unerlässlich, um eine Schadenersatzpflicht zu beurteilen.

Ist eine Pflichtverletzung hingegen festgestellt, muss zur Schadenersatzhaftung des Testamentsvollstreckers ein Verschulden hinzukommen. Der Grundsatz „ohne Verschulden kein Schadenersatz“ gilt auch zugunsten des Testamentsvollstreckers. Der Begriff des Verschuldens ist in § 276 BGB geregelt und umfasst neben vorsätzlichem Handeln auch die grobe oder leichte Fahrlässigkeit des Testamentsvollstreckers. Die Rechtsprechung legt als Maßstab den „besonnenen und gewissenhaften“ Testamentsvollstrecker an, überspannt also die Sorgfaltsanforderungen zugunsten des Testamentsvollstreckers bei der Ausübung seiner Tätigkeiten nicht. Hat der Testamentsvollstrecker aber besondere Kenntnisse oder Qualifikationen (z.B. als Anwalt oder Steuerberater), muss er nicht nur die üblichen Maßstäbe, sondern die gehobenen Maßstäbe seines Berufsbildes berücksichtigen.

Schaltet der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung einzelner Aufgaben Hilfspersonen ein, z.B. einen Anwalt oder einen Steuerberater, muss er einen qualifizierten Berater zumindest sorgfältig auswählen. Dafür angefallene Honorare, Kosten oder Auslagen, sind aus dem Nachlass an die ausgewählten Hilfspersonen gemäß §§ 2218 Abs. 1, 670 BGB zu erstatten.

Begeht der qualifizierte Ausgewählte einen Fehler, haftet der Testamentsvollstrecker hierfür nicht.

Nicht jede Pflichtverletzung, die der Testamentsvollstrecker schuldhaft begangen hat, führt automatisch zu seiner Haftung gemäß § 2219 BGB. Vielmehr muss diese Pflichtverletzung den eingetretenen Schaden verursacht haben. Begehrt der Erbe vor Gericht Schadenersatz vom Testamentsvollstrecker, so trifft den klagenden Erben die Beweislast für alle o.g. Anspruchsvoraussetzungen. Schadenersatzansprüche gegen den Testamentsvollstrecker verjähren innerhalb von 3 Jahren gemäß §§ 199, 195 BGB.

Wer kann Schadenersatzansprüche gegen den Testamentsvollstrecker haben?

Der Schadenersatzanspruch des § 2219 BGB steht dem Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker zu. Ist eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet, haftet für die Dauer der Vorerbschaft (also in der Regel bis zum Tode des Vorerben) der Testamentsvollstrecker auch gegenüber dem Nacherben, weil er dessen Interessen für diese Dauer beachten muss. Sofern dem Testamentsvollstrecker in der letztwilligen Verfügung (auch oder ausschließlich) die Aufgabe übertragen wurde, ein Vermächtnis auszuführen bzw. zu erfüllen, muss er selbstverständlich auch die Interessen des Vermächtnisnehmers wahren. Handelt der Testamentsvollstrecker fehlerhaft, haftet er gegenüber dem Vermächtnisnehmer auf Schadenersatz gemäß §§ 2219 BGB. Gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten haftet der Testamentsvollstrecker hingegen nicht gemäß § 2219 BGB auf Schadenersatz. Eine Haftung nach den Vorschriften der §§ 823 ff. BGB (unerlaubte Handlung) besteht allerdings in diesem Rechtsverhältnis dennoch.

Ab welchem Zeitpunkt haftet der Testamentsvollstrecker für sein Handeln?

Gemäß § 2202 BGB beginnt das Amt des Testamentsvollstreckers mit seiner Annahmeerklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Da bis zur Annahme des Amtes, die erst geraume Zeit nach dem Todesfall liegen kann, bereits kurzfristige Maßnahmen in Bezug auf den Nachlass erledigt werden müssen, beginnen in Ansehung des künftigen Amtes viele Testamentsvollstrecker bereits mit ihren Tätigkeiten, bevor die Annahmeerklärung beim Nachlassgericht abgegeben wurde. In diesem Zeitraum kann der (künftige) Testamentsvollstrecker selbstverständlich auch Fehler begehen. Hierfür ist § 2219 BGB analog anwendbar, so dass er auch für diese Zeit seiner Tätigkeit schadenersatzpflichtig ist. Dasselbe gilt auch, wenn der Testamentsvollstrecker Tätigkeiten ausübt, nachdem er sein Amt beendet hat, z.B. indem er noch Abschlusstätigkeiten trotz formeller Amtsbeendigung durchführt. 

Was geschieht, wenn ein neues Testament ohne angeordnete Testamentsvollstreckung auftaucht?

Nicht selten ist eine Testamentsvollstreckung angeordnet und es findet sich später ein weiteres Testament, in welchem diese wieder aufgehoben wurde. Hatte der Testamentsvollstrecker inzwischen seine Tätigkeiten ausgeübt, denen durch die spätere letztwillige Verfügung die Rechtsgrundlage wieder entzogen wurde, bleiben seine Tätigkeiten wirksam. Die Haftung aus § 2219 BGB bleibt für diese Zeit der vermeintlichen Testamentsvollstreckung bestehen. 

Können auch die Erben schuldhaft handeln?

In jedem schadenersatzrechtlichen Bereich kann der Einwand des Mitverschuldens des Geschädigten gemäß § 254 BGB gegeben sein. Dies ist der Fall, wenn den Geschädigten ein eigenes Verschulden an dem späteren Schaden trifft. Insbesondere, wenn der Testamentsvollstrecker frühzeitig den Miterben eine Anfrage bzw. Mitteilung über eine von ihm beabsichtigte Verwaltungsmaßnahme zuleitet (z.B. eine Geldanlage oder Geldumschichtung in ein risikobehaftetes Anlagevermögen), die Erben dem zustimmen und sich später zeigt, dass entgegen der Prognose die Anlage an Wert verliert, kann ein solches Mitverschulden der zustimmenden Miterben gegeben sein. Ihnen stand es nämlich frei, zu prüfen, ob die Risikoprognose des Testamentsvollstreckers auf einer ordnungsgemäßen Grundlage basierte oder nicht; stimmen sie einer solchen spekulativen Anlage zu, ist in der Regel eine Schadenersatzhaftung des Testamentsvollstreckers aus § 2219 BGB minimalisiert, wenn nicht sogar ganz ausgeschlossen.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Der Testamentsvollstrecker sollte gegen einen gegen ihn möglichen Schadenersatzanspruch gemäß § 2219 BGB dadurch vorbeugen, dass er eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung abschließt. Vor allem wenn der Testamentsvollstrecker berufsmäßig hiergegen nicht abgesichert ist, sollte er diese Versicherung abschließen. Deren Prämien darf er gemäß §§ 2218, 670 BGB dem Nachlass als Auslagen entnehmen.

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