Prozesse und Testamentsvollstreckung

Welche Rolle hat der Testamentsvollstrecker bei Gerichtsprozessen, die den Nachlass betreffen?

Der Testamentsvollstrecker ist der „Ansprechpartner“, wenn über, um oder gegen den Nachlass vor Gericht prozessiert werden muss. Um welche Prozesse es sich dabei handelt (Zivilverfahren, Arbeits-, Sozialgerichtsprozesse, Finanzgerichtsprozesse usw.) ist unerheblich. Ihm allein steht die Verfügungsbefugnis über den Nachlass zu, so dass er für die Gerichtsverfahren zuständig ist. Auf jeden Fall muss der Testamentsvollstrecker im Interesse des Nachlasses die Gerichtsprozesse führen, was u. U. auch bedeutet, dass er sich „absichtlich“ verklagen lassen muss, um beispielsweise die Berechtigung einer Forderung gegen den Nachlass durch ein gerichtliches Urteil festgestellt zu erhalten.

Einer der häufigsten Anlässe für ein gerichtliches Verfahren ist schon die Frage, wie eine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag), die vom Erblasser unklar, widersprüchlich oder nicht eindeutig abgefasst ist, auszulegen ist. Auch hier müssen die Miterben bzw. der Testamentsvollstrecker selbst entsprechende Gerichtsprozesse anstrengen, um rechtsverbindlich den Erblasserwillen notfalls vom Gericht vorgegeben zu bekommen. In der Regel sind solche Prozesse vor dem Landgericht zu führen, wo allerdings Anwaltszwang herrscht. Dies bedeutet, dass nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung der Testamentsvollstrecker von einem Rechtsanwalt – am besten einem erbrechtlich versierten (z.B. www.NDTV.info)  vertreten sein muss. Andernfalls verliert der Testamentsvollstrecker den Prozess, auch wenn er selbst vor Gericht auftritt, aber ohne Rechtsanwalt erscheint. Anwaltskosten sind in der Regel dem Nachlass zu entnehmen, ebenso Gerichtskosten, weil der Testamentsvollstrecker nicht als private Person, sondern in Ausübung seines Amtes klagt bzw. verklagt wird.

Alle Rechte, die der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegen, kann nur er allein geltend machen und notfalls vor Gericht einklagen. Das können alle Ansprüche sein, welche dem Nachlass letztendlich zufließen, z.B. eine noch offene Forderung, die der Erblasser hatte, wird eingeklagt. Wichtig ist, dass der Testamentsvollstrecker sich dem Gericht gegenüber bereits im sog. Rubrum der Klage (also der Eingangsbezeichnung der Prozessparteien) als Testamentsvollstrecker darstellt. Es klagt also „Herr X als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des . . . . . .“.

Weil nur der Testamentsvollstrecker in aller Regel über die Nachlassobjekte, Nachlassforderungen usw. verfügungsbefugt ist, muss er den Klageantrag so fassen, dass die Leistung an ihn als Testamentsvollstrecker erfolgen muss. Einen Leistungs-/Zahlungsantrag an die Erben darf er dem Gericht in seinem Klageantrag nicht präsentieren.

Wann kann ein Erbe trotz Testamentsvollstreckung selbst eine Klage für den Nachlass führen?

Nicht selten sind einige Miterben „klagewillig“, der Testamentsvollstrecker hinsichtlich Gerichtsverfahren eher reserviert. In solchen Fällen kann er den „klagewilligen“ Miterben ermächtigen, dass er in eigenem Namen die Klage erhebt. Dies sollte er zuvor mit den anderen Miterben aber einvernehmlich absprechen, weil das Recht zur Prozessführung grundsätzlich das ureigenste Recht bzw. Pflicht des Testamentsvollstreckers ist.

Das Prozessführungsrecht steht ihm nicht zu hinsichtlich der Fragen,

  • wer nach dem verstorbenen Erblasser überhaupt ein Erbrecht hat,

  • im Gesellschaftsrecht für sog. innere Angelegenheiten der Gesellschaft, also solche Themen, welche die Mitgliedschaftsrechte der Erben direkt betreffen (z.B. Ausübung der Stimmrechte innerhalb einer GmbH),

  • auch den Einspruch gegen einen Erbschaftsteuerbescheid darf er selbst nicht einlegen, weil dies Sache des jeweiligen Erben ist.

Bei Klagen, welche sich gegen den Nachlass richten, handelt es sich um sog. Passivprozesse. Diese können die Kläger (z.B. Gläubiger) sowohl gegen die Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich anmelden, §§ 2213, 2212 BGB.

Eine Klage wegen des Pflichtteils muss der Pflichtteilsberechtigte hingegen immer und nur gegen den Erben bzw. die Miterben als Beklagte/n erheben und nicht gegen den Testamentsvollstrecker (§ 2213 Abs. 1 S. 3 BGB). Eine Ausnahme hiervon kann u. U. nur dann gemacht werden, wenn in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich Testamentsvollstreckung zur Regulierung der pflichtteilsrechtlichen Ansprüche angeordnet worden ist.

Formulierungsbeispiel „Testamentsvollstreckung zur Regulierung der pflichtteilsrechtlichen Ansprüche“

Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich Herrn . . . . . ., ersatzweise Herrn . . . . . .

Alleinige Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist es, etwaige Pflichtteilsansprüche, sofern solche geltend gemacht werden, zu regulieren. Die Testamentsvollstreckung ist also Dauervollstreckung bis zur Erledigung der Aufgabe bzw. bis zum Eintritt der Verjährung etwaiger Pflichtteilsansprüche mit der Maßgabe, dass der Testamentsvollstrecker neben der Konstituierungsgebühr auch Anspruch auf eine jährliche angemessene Verwaltungsvergütung hat. Die Testamentsvollstreckung endet mit Eintritt der Verjährung etwaiger Pflichtteilsansprüche bzw. mit deren endgültiger Erledigung.

Der Testamentsvollstrecker ist von allen gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen soweit zulässig befreit. Er erhält eine Vergütung i.H.v. zwei vom Hundert des insgesamt geltend gemachten Pflichtteils- und/oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs zuzüglich Mehrwertsteuer. Auslagen sind auf Nachweis gesondert zu ersetzen. Gerichtliche Prozesse sind gesondert und zusätzlich hierzu nach RVG abzurechnen und zu vergüten. Die Vergütung trägt jeweils der Nachlass.

Ein Gläubiger, der einen Anspruch gegen den Nachlass hat (z.B. auf Zahlung einer vom Erblasser noch nicht bezahlten Handwerkerrechnung), kann neben den Erben auch den Testamentsvollstrecker verklagen. Erreicht er ein Urteil, darf er die Zwangsvollstreckung in den Nachlass durchführen, § 748 Abs. 1 ZPO. Hat ein Pflichtteilsberechtigter ein Zahlungsurteil gegen einen Erben erstritten, ist die Zwangsvollstreckung des Pflichtteilsanspruchs gegen den Nachlass allerdings nicht zulässig. Der Pflichtteilsberechtigte muss in das Privatvermögen des (Mit-)Erben vollstrecken.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Ein Nachlassgläubiger sollte immer die Erben auf Leistung, den Testamentsvollstrecker zusätzlich auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass verklagen. Dadurch steht ihm der Zugriff auf alle Vermögensmassen im Rahmen der folgenden Zwangsvollstreckung offen.

Wann ist ein Testamentsvollstrecker persönlich Partei eines Prozesses?

Manche Bereiche, insbesondere Klagen, betreffen den Testamentsvollstrecker nicht als Verwalter und Sachwalter über den Nachlass, sondern ihn als Privatperson. In diesen Fällen ist die Klage direkt gegen den Testamentsvollstrecker als Privatperson zu richten, beispielsweise sind solche persönlichen Prozesse:

  • die Klage der Erben gegen den Testamentsvollstrecker auf Schadenersatz,

  • die Vergütungsklage des Testamentsvollstreckers,

  • die Klage der Miterben gegen den Testamentsvollstrecker auf Herausgabe von Nachlassgegenständen, die er fälschlicherweise in Besitz hat,

  • die Klage über die Wirksamkeit eines Testaments, in welchem der Testamentsvollstrecker selbst ernannt ist,

  • die Klage der Miterben über die Herausgabe der Nachlassgegenstände, sobald die Testamentsvollstreckung geendet hat und

  • alle Klagen, welche sich um die Ernennung oder Entlassung des Testamentsvollstreckers ranken.

Darf der Testamentsvollstrecker hierfür die Kosten aus dem Nachlass entnehmen?

Die Rechtsprechung schützt zum Teil hinsichtlich der Prozesskosten den Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner persönlichen Prozesse: Verliert er einen solchen Prozess, darf er dennoch diese Kosten dem Nachlass entnehmen. Weil die Rechtsprechung hier aber noch schwankend ist, sollte immer der aktuelle Rechtsprechungsstand der Obergerichte zu diesen Problematiken (Prozessführungskosten bei persönlichen Prozessen des Testamentsvollstreckers) beachtet werden.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Qualifizierte und zertifizierte Fachanwälte für Erbrecht, die sich in dieser speziellen Materie auskennen, finden Sie auf dieser Website.

Was ist bei der Durchsetzung von Vollstreckungstiteln des Erblassers zu beachten?

Manchmal hat der Erblasser vollstreckbare Titel (z.B. einen Vollstreckungsbescheid gegen einen langjährigen Schuldner, ein Urteil gegen einen Dritten usw.) hinterlassen, die er noch nicht beigetrieben hat oder deren Vollstreckung fruchtlos verlaufen ist. In diesen Fällen muss der Testamentsvollstrecker die Umsetzung und Beitreibung aus den Titeln veranlassen. In den Titeln ist allerdings noch der Erblasser namentlich als Gläubiger bezeichnet. Diese Bezeichnung ist durch den Tod des Erblassers (= Gläubiger) unrichtig geworden. In diesen Fällen muss der Testamentsvollstrecker die Umschreibung der Vollstreckungsklausel veranlassen, so dass sich aus dem Titel selbst anschließend ergibt, dass der Testamentsvollstrecker die Zwangsvollstreckung für den verstorbenen Erblasser betreiben kann. Bei einem Vollstreckungsbescheid nimmt diese sog. Klauselumschreibung das Mahngericht vor, das den Vollstreckungsbescheid erlassen hat. Sofern der Erblasser einen Vergleich vor Gericht erwirkt hatte, schreibt dasjenige Gericht den Vergleich auf den Vollstrecker um, das die gerichtliche Urkunde verwahrt (das ist das Gericht erster Instanz). Hinterließ der Erblasser eine notarielle Urkunde, ist zur Umschreibung derjenige Notar zuständig, der die Urkunde verwahrt.

Expertentipp vom Fachanwalt für Erbrecht:

Damit die Umschreibung problemlos erfolgen kann, sollte der Testamentsvollstrecker sein Testamentsvollstreckerzeugnis mit einem entsprechenden Antrag an die o. g. Stellen übersenden. Der Antrag auf Titelumschreibung sollte dahin lauten, dass beantragt wird, eine vollstreckbare Ausfertigung über die anliegende Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides (Urteils, Prozessvergleichs, notarielle Urkunde) vom . . . . . . AZ.: . . . . . ., für Herrn T. als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am . . . . . . verstorbenen Herrn . . . . . . (Titelgläubiger) zu erteilen.

Eine Titelumschreibung kann allerdings dann unterbleiben, wenn der Verstorbene die Zwangsvollstreckung beim Tod des Schuldners schon begonnen hatte.

Was muss ein Gläubiger beachten, wenn er einen Titel (Urteil, Vergleich, Vollstreckungsbescheid) gegen den Erblasser vollstrecken will?

Nicht selten wird aber auch gegen den Verstorbenen vollstreckt, der als Schuldner im jeweiligen Titel bezeichnet ist. Der vollstreckende Gläubiger kann diesen Titel (Urteil, Vollstreckungsbescheid, usw.) daraufhin auf den Testamentsvollstrecker oder auf die Erben umschreiben lassen. Es steht ihm dann frei, zu entscheiden, ob er in das private Vermögen der Erben oder in den Nachlass des verstorbenen Schuldners vollstrecken will.

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